Reibereien auf dem Lkw
Ladungssicherung (PI283)
Morgens muss es fix gehen beim Beladen von Lkw und Transporter. Schnell alles auf die Ladefläche und ab zur Baustelle. Da kommt es schon mal vor, dass zentner- und tonnenschwere Gerätschaften ein eher lockeres Verhältnis zum Untergrund haben. Aber genau das darf nicht passieren. mehr
Bei der Ladungssicherung tun sich Unternehmer, Fahrzeughalter und Fahrer noch immer schwer. Dabei sind die Vorgaben wunderbar eindeutig. Es gibt kompliziertere Gesetze und Regeln als Paragraf 22 der Straßenverkehrsordnung. Demnach sind Ladung und Ladeeinrichtungen „so zu verstauen und zu sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin und her rollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen können.“
Es muss nicht immer die Kette sein
Den meisten Menschen fallen beim Thema Ladungssicherheit die Wörter Zurrgurt und Kette ein. Damit ist ein geradezu weltanschaulicher Streitpunkt angesprochen, der sich genauso wenig für immer und für jeden lösen lässt, wie die Frage nach Tee oder Kaffee. Fakt ist, dass ergonomische Zurrgurte längst aus dem schwergewichtigen Schatten der Eisenketten herausgetreten sind. Bis zu 112 Tonnen können sie mittels Direktzurren bei relativ einfachem Handling sichern. Und kostengünstiger sind sie auch.
Zwei Prinzipien: formschlüssig oder kraftschlüssig
Je nach Ladegut bieten sich zwei grundsätzlich unterschiedliche Zurrmethoden an. Durch das Diagonalverzurren hält man Bagger, Walze und andere schwere Gerätschaften in Position. Dazu werden die Maschinen mit gekreuzten Gurten oder Ketten an Zurrpunkten befestigt. Der Fachmann spricht von der formschlüssigen Ladungssicherung.
Das Gegenstück zur formschlüssigen ist die kraftschlüssige Ladungssicherung: das Niederzurren. In der Praxis kommt diese Methode viermal so oft wie die Diagonalverzurrung zum Einsatz – insbesondere bei Gerüsten, Rohren, Betonteilen und dergleichen. Das Prinzip: Zurrgurte ziehen oder pressen das Ladegut kräftig nach unten. Das erhöht die Reibung zwischen Ladung und Ladefläche und sichert das Material gegen Verrutschen.
Kostenlose Zurr-Rechner-App
Die Regelwerke zur Berechnung der korrekten Ladungssicherung sind weitaus sperriger als die eingangs zitierte Vorschrift aus der Straßenverkehrsordnung. Wer es genau nachlesen will, sei verwiesen auf VDI 2700 Blatt 2:2014 und auf die DIN EN 12195-1:2011. Aber die dort aufgeführten und durchaus komplizierten Formeln schrecken den Praktiker eher ab, als dass sie ihn für die präzise Ausführung begeistern. Zudem setzen sie ein erhebliches Maß an Erfahrung voraus.
Zum Glück muss man mitten im Baustellenlärm nicht alles selbst ausrechen oder herleiten. Eine verlässliche Vorgabe bieten Tabellen und Softwareprogramme wie der kostenlose SpanSet Zurr-Rechner. Er berücksichtigt Ladungsgewicht, Reibung und Zurrwinkel. Ein Download gibt es unter http://bit.ly/2Hxc6dZ, im App Store und bei Google Play.
Vollgummi- oder Granulatmatten?
Dringend gebotene Zusatzmittel gegen die unkontrollierte Materialwanderschaft sind Antirutschmatten. Doch nicht alles, was nach Matte und rutschfest aussieht, kommt für die Ladungssicherung in Betracht, wie der Sachverständige Ralf Schmitz betont: „Das ausgediente Förderband aus dem Kieswerk taugt genauso wenig wie die Gummireste, die der Bauunternehmer irgendwo aufgetrieben hat.“ Auch Antirutschmatten unterliegen VDI-Richtlinien, ihr Material muss Mindestkriterien erfüllen.
Schmitz gehört zum Produktmanagement von SpanSet (Übach-Palenberg), einem Unternehmen, das Sicherungsmittel wie Spanngurte, Kantenwinkel, Matten und Netze produziert. Sein Tipp für den Praktiker: „Vollgummimatten sind einfach zu säubern und widerstehen dem Hochdruckreiniger. Außerdem lassen sich Eisschichten durch einfaches Biegen entfernen.“ Aber auch für die offenporigen Granulatmatten hat Schmitz was übrig. „Die sind besonders resistent gegen Schmutz, Staub und Erde.“
Auf die Frage, bei bis zu welchem Gewicht solche Matten sinnvoll sind, hat Isaac Newton schon vor 300 Jahren die Antwort gegeben. Sie lautet: Der Widerstand gegen das Verrutschen der Ladung ist nicht von ihrem Gewicht abhängig, sondern von der Reibung. Das heißt: Ob Rüttler oder Holzplatte, unter identischen Standverhältnissen und bei gleicher Beschleunigung bewegt sich alles synchron. Aus diesem Grund ist es für jede Lkw-Ladung von großem Nutzen, wenn Antirutschmatten möglichst viel „Reiberei“ erzeugen. Zumal das dazu beitragen kann, dass unerwünschte Reibungspunkte mit der Polizei bei Verkehrskontrollen gar nicht erst entstehen.
Hochwertige Matte, weniger Spannkraft
Die Wirksamkeit der Antirutschmatte ist geradezu verblüffend. Platziert man eine Ladung von zehn Tonnen auf einer hochwertigen Ausführung, reicht bei den Zurrgurten eine Spannkraft von rund 3,5 Tonnen. Der Fachmann spricht von 3.500 Dekanewton (daN). Um die gleiche Ladung bei verschmutzter Ladefläche und ohne Rutschmatte zu sichern, bedarf es gut und gerne der zehnfachen Spannkraft.
Antirutschmatten sind auch eine ideale Standfläche für Kisten, in denen Werkzeuge, kleine Materialchargen und anderes Zeug zur Baustelle gelangt. Dieser Kleinkram addiert sich schnell auf mehrere Zentner, die niemals ungesichert über die Ladefläche purzeln dürfen. Geeignete Kisten sollte man wie jede andere Ladung niederzurren.
Schmitz hält in diesem Zusammenhang noch einen Ratschlag bereit: „Die meisten hören es zwar nicht gerne: Aber die Ladefläche muss sauber sein. Steinchen wirken wie Kugeln, auf denen das Ladegut optimal gelagert durch die Gegend rutscht.“
„Babyphon“ für Zurrsystem
Mit vorschriftsmäßig gesicherter Ladung losfahren, ist das eine. Aber wie überwacht der Mann am Lenkrad, dass die Gurte während der Fahrt das halten, was er von ihnen erwartet? Man kann schließlich nicht an jeder Haltebucht stoppen, um alles zu überprüfen.
Hier kommt eine Innovation des digitalen Fortschritts ins Spiel, der sich mittlerweile auch auf der Lkw-Ladefläche breitmacht. Das neue CargoWatcher-System von SpanSet erlaubt zuknftig das durchgängige Überwachen der Vorspannkraft jedes einzelnen Zurrgurtes, ohne dass man rechts ran muss. Über eine Funkverbindung erfährt der Fahrer, wenn sich etwas lockert. Dabei dokumentiert das „Babyphon“ regelmäßig die aktuellen Vorspannkräfte – auch wenn alles passt.
Nichts für „nebenbei“
Doch alle digitalen und tabellarischen Assistenten sind ohne das verantwortungsbewusste Handeln des Menschen wertlos. Die Berufsgenossenschaft Bau diktiert es ihren Mitgliedern ins Gewissen: „Ladungssicherung ist keine Tätigkeit, die mal so nebenbei durchgeführt werden kann.“ – Wer auf Nummer Sicher gehen will, sollte dieses Thema immer ganz weit oben platzieren, wenn es um Mitarbeiterschulungen geht und um die Definition von absoluten Muss-Bestimmungen.
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Vier Knackpunkte: Das sollten Sie beachten
• Auch bei kürzester Strecke gilt: Ladungssicherung muss sein! Ohne Wenn und Aber.
• Zurrgurte niemals mischen/kombinieren: Unterschiedliche Materialien und Qualitäten führen zu unterschiedlichen Produkteigenschaften. Das wirkt sich auf das Verhalten der Gurte aus.
• Zurrmittel müssen unbeschädigt sein. Für Reparatur und Wartung ist allein der Hersteller zuständig.
• Niemand kann sich aus der Verantwortung stehlen: Fahrzeughalter, Versender und Fahrer haften für die Folgen einer fehlerhaften und unzulänglichen Ladungssicherung.
[Infokasten 2]
Übersicht und Checkliste
Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft hat eine 130 Seiten starke Informationsschrift „Ladungssicherung auf Fahrzeugen der Bauwirtschaft“ publiziert. Ein Download finden Sie unter www.bgbau-medien.de/Fachthemen/Verkehr und Transport. Zudem hat SpanSet eine „Checkliste für den Transport von Baumaschinen“ zusammengestellt (siehe Abbildung). Den Download finden Sie hier: http://bit.ly/2FMSLbL
[Bildauswahl]
Abb.1: Schwere Maschinen werden in der Regel diagonal verzurrt. [download]
Abb. 2: Niederzurren: Das Material wird auf die Ladefläche gepresst. [download]
Abb. 3: Antirutschmatten erhöhen die Reibung zwischen Ladefläche und Ladegut. Damit sinkt der Bedarf an Zurrmitteln. [download]